Lipödem - Aktuelle Therapieempfehlungen

Neues zum Lipödem

Empfehlungen aus der aktuellen Leitlinie und Fachkliniken zum Lipödem

Aufgrund aktuell publizierter Empfehlungen zur Therapie des Lipödems, möchten wir die Erkrankung mit diesem Blogbeitrag näher vorstellen. Es werden die Ursachen, Symptome und die aktuellsten Therapieempfehlungen vorgestellt.

Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie e.V. (DGPL) und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachgesellschaften und Patientenorganisationen, wurde Ende Februar 2024 eine angepasste Therapieleitlinie für Betroffene mit der Diagnose Lipödem herausgegeben. Sie ersetzt die vorherige Leitlinie aus dem Jahr 2015.

Therapieleitlinien orientieren sich immer an der aktuellen nationalen wie internationalen Evidenz und leiten so die bestmöglichen Therapieempfehlungen ab. Diese aktuelle S2k-Leitlinie dient als richtungsweisende Empfehlung stationär wie ambulant tätigen Fachpersonen aus den Bereichen der Phlebologie, Angiologie, Dermatologie, Inneren Medizin, Chirurgie, Gefässchirurgie und Physiotherapie.

Was ist ein Lipödem und seine Symptome?

Das Lipödem beschreibt eine chronische und teils sehr schmerzhafte Fettverteilungsstörung. Dabei kommt es zu einer symmetrischen Ansammlung von Fettgewebe und Flüssigkeit in der Unterhaut von Beinen (70%) und teilweise Armen (30%). Es betrifft fast nur Frauen und unterscheidet sich von der weit geläufigeren Adipositas dadurch, dass Menschen mit einem Lipödem bei Druck auf das Gewebe mit Schmerzen reagieren.

Am häufigsten finden sich die Veränderungen an beiden Beinen. Seltener an den Armen und typischerweise nie am Bauch, Brustkorb, den Händen oder Füssen. Der Unterschied zwischen Ober- und Unterkörper ist in vielen Fällen offensichtlich. Das betroffene Gewebe verändert sich seitengleich.

Bei einem Lipödem lagern sich deutlich mehr Fettzellen im Gewebe als üblich ein und werden durch Bindegewebszellen zusammengehalten. Zusätzlich erhöht sich durch Entzündungen an den kleinen Blutgefässen der Haut deren Durchlässigkeit und infolgedessen kommt es zu einer Wasseransammlung im Gewebe. Diese erhöhte Flüssigkeitsmenge steigert den Gewebsdruck und sorgt so für die zunehmende Empfindlichkeit und eine gesteigerte Schmerzwahrnehmung bei äusserem Druck, wie Berührungen und körperliche Belastung.

In schweren Fällen kann es auch in Ruhe zu Schmerzen kommen. Weiter klagen Betroffene über Schweregefühle und Hitzegefühle in den betroffenen Extremitäten. Die Symptome verstärken sich in aller Regel im Tagesverlauf und bei hohen Temperaturen, nach langem Sitzen und Stehen. Durch die Veränderungen an den Kapillargefässen neigen die betroffenen Frauen deutlich schneller zu Hämatomen, sogenannten "blauen Flecken".

Laut Aussagen von Fachkliniken, wie der Földi Klinik, wird leider oftmals übersehen, dass ein beträchtlicher Teil der Betroffenen ebenfalls eine Adipositas aufweisen und das Lipödem daher deutlich negativ beeinflussen können. Diese Problematik muss, so unangenehm es auch sein mag, offen mit den Betroffenen angesprochen und entsprechende Lebensstilanpassung aufgegleist werden. Sekundärprobleme, wie adipositas-assoziierte Lymphödeme, könnten alleine schon durch eine Gewichtsreduktion deutlich verbessert werden.

Was sind Ursachen für ein Lipödem?

Über die eigentlichen Ursachen ist nicht viel bekannt. Auffällig sind die Zeitpunkte hormoneller Veränderungen, an denen Frauen die entsprechenden Gewebsveränderungen bemerken. Bei manchen beginnt es bereits mit der Pubertät, andere trifft es mit der ersten Schwangerschaft und die letzte Gruppe erst in der Menopause. In den sehr seltenen Fällen betroffener Männer, sind diese meist ab dem mittleren Lebensalter symptomatisch.

Es ist zwar auffällig, dass 60% der Betroffenen nahe Verwandte mit derselben Erkrankung haben, aber dieser genetische Hinweis kann nicht als gesicherte Ursache gewertet werden. Das dafür nötige Gen wurde noch nicht entdeckt.

Wie wird ein Lipödem diagnostiziert?

Das Lipödem ist eine sogenannte klinische Diagnose. Es gibt keine apparativen und laborchemischen Möglichkeiten der Diagnosestellung. Für Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, MR-Angiographie, Szintigraphie und Indocyaningrün-Lymphographie liegt zu wenig Evidenz vor, als dass man diese als Diagnose-Tools für das Lipödem empfehlen könnte.

Anfangs erfolgt eine Anamnese und körperliche Untersuchung durch die Ärztin oder Arzt. Es wird unter anderem geklärt, wie lange die Fettablagerungen vorhanden sind und ob mittels ausgewogener Ernährung und regelmässiger Bewegung bzw. Sport diese beeinflusst werden konnten. Wenn die Betroffenen dann berichten, dass nur das Fett am Rumpf sich verringert habe, nicht aber an den Beinen, sind das erste Hinweise auf ein Lipödem.

In aller Regel werden auch folgende Fragen gestellt:

Verursachen die Fettablagerungen Schmerzen?

Kommt es leicht zu blauen Flecken an den betroffenen Stellen?

Hat es in der Familie ähnliche Fälle?

Gibt es Bilder aus der prä- und postpubertären Zeit?

Der Arzt oder die Ärztin schaut sich die Fettablagerungen an und tastet sie behutsam ab. Typischerweise lässt sich ein Lipödem nicht eindrücken. Jeder manuelle Druck löst dazu noch einen Schmerz aus. Lipödem-typisch wird der Schmerz auf der Aussenseite des Beins stärker empfunden als der auf Innenseite. Bei Nichtbetroffenen wäre das in der Regel umgekehrt.

Im Verlauf der Erkrankung und Therapie wird empfohlen, weitere Parameter wie das Gewicht, den Body-Mass-Index (BMI), die „Waist-Hip-Ratio“ (WHR), die „Waist-Height-Ratio (WTR) sowie Umfangs- und Volumenmessungen der Extremitäten und den täglichen Aktivitätsindex zu dokumentieren.

Stadieneinteilung des Lipödems

Das Lipödem wird in verschiedene Stadien unterteilt. Massgeblich ist dabei der Hautzustand.

Stadium 1: In der Unterhaut ist das Fettgewebe noch gleichmässig verteilt und von aussen kaum wahrnehmbar. Die Haut ist unauffällig.

Stadium 2: Im Fettgewebe der Unterhaut finden sich Knötchen, gepaart mit der Ausbildung einer schmerzhaften Orangenhaut.

Stadium 3: In der Unterhaut kommt es zu einer Bindegewebsvermehrung und die Haut verhärtet sich. Bei zunehmenden Schmerzen, bilden sich an den Oberschenkeln und Knien Fettwülste.

Bei dieser Stadieneinteilung gilt es zu beachten und relativierend einzuschränken, dass es sich hierbei nur um die Einteilung sichtbarer Veränderungen handelt und die individuellen Beschwerden (z.B. Schmerzen) bzw. der Leidensdruck (Psyche) nicht in Betracht gezogen und solche Einteilungen daher mit Vorsicht genossen werden sollten.

Schweregrade des Lipödems

Die Art des Schweregrades der Fett- und Wassereinlagerungen orientiert sich am Manifestationsort.

Typ 1: Fettablagerungen an Gesäss und Hüften.

Typ 2: Fettablagerungen von den Hüften bis zu den Knien.

Typ 3: Fettablagerungen von den Hüften bis zu den Knöcheln.

Typ 4: Wie Typ 3 und zusätzlich Fettablagerungen von den Armen bis zu den Händen.

Typ 5: Wie Typ 4 und noch zusätzlich Entwicklung eines Lymphödems bis zu den Fingern und Zehen.

Vorbeugen, Früherkennung und Prognose

Grundsätzlich kann man einem Lipödem nicht vorbeugen. Wenn familiär der Hang zu Lipödemen besteht, sollte aber explizit auf die Ernährung und ausreichende körperliche Bewegung geachtet werden.

Der Verlauf eines Lipödems geschieht in der Regel über viele Jahre und ist anfangs kaum als solches zu erkennen. Wird ein Lipödem erstmals vermutet bzw. diagnostiziert, ist es wichtig die Therapie konsequent durchzuziehen, um mögliche spätere Komplikationen zu verhindern.

Was ist die aktuelle Therapieempfehlung?

  1. Kompressionstherapie: An erster Stelle steht die Kompressionstherapie mittels individuell angefertigter und täglich getragener medizinischer Kompressionsstrümpfe. Bei der Kompressionstherapie steht nicht die Formgebung oder Reduktion des Lipödems im Vordergrund, sondern die Schmerzreduktion und Senkung der Hämatomhäufigkeit. Die Ergebnisse einer Studie von Czerwińska et al. (2023) deuten darauf hin, dass eine Kompressionstherapie, in Verbindung mit gezielter Bewegung, zu einer verbesserten Lebensqualität führen kann. Für den Hausgebrauch zeigen einzelne Studien positive Effekt bei der Intermittierenden pneumatischen Kompressionstherapie (IPK). Die vorhandenen Studien bezogen sich allerdings nur auf die Behandlung des Lipödems an den Beinen.

  2. Medikamentöse Therapie: Diuretika sind keine empfohlene Therapie beim Lipödem. Schmerzmittel können theoretisch angewendet werden, sind aber in aller Regel wirkungslos. Medikamente, die mit einer Gewichtszunahme assoziiert werden, sollten nach Möglichkeit vermieden werden.

  3. Physiotherapie: Ausdauer- und Krafttraining sollte, zeitgleich mit der Kompressionstherapie, zur Schmerzreduktion regelmässig durchgeführt werden.

  4. Manuelle Lymphdrainage: Weitläufig verbreitet ist die Annahme, dass die Manuelle Lymphdrainage die Therapie der Wahl für das Lipödem sei. Diese sanfte und angenehme Anwendung ist zwar sehr beliebt, aber keine allgemein empfehlenswerte Therapie für Lipödempatient:innen. Es findet sich keine ausreichende Evidenz für deren alleinige Anwendung. Die Forschergruppen um Mackie et al. (2023) und Weiler et al. (2012) der Macquarie University Sydney und derer um Buso et al. (2022) und Rasmussen et al. (2022) konnten aufzeigen, dass bei einem Lipödem keine Störung des lymphatischen Abstroms besteht. Daraus ergibt sich, dass eine Manuelle Lymphdrainage bei einem Lipödem keinen Mehrwert anbietet dieses zu reduzieren, die Selbstwirksamkeit der Betroffenen nicht positiv beeinflusst und als Therapieform der ersten Wahl nicht empfohlen werden sollte.

  5. Chirurgie: Es gibt die Möglichkeit der operativen Entfernung der Fettzellen durch eine "Liposuction". Diese OP wird ambulant und stationär durchgeführt. Allerdings gilt es zu bedenken, dass sich die Fettzellen neu bilden werden, speziell wenn die Themen Ernährung und Bewegung zu wenig Beachtung erfahren. Eine weitere Problematik stellt die teilweise nicht erfolgende Kostenübernahme durch die Krankenkassen dar.

  6. Psychotherapie: Da das Lipödem ein oftmals komplexes Krankheitsbild darstellt, sind psychische Beschwerden weit verbreitet. Speziell die Akzeptanz des eigenen Körpers und die Schmerzverarbeitung sind häufige Themen. Daher wird, bei entsprechenden Symptomen, eine begleitende Psychotherapie empfohlen.

Was können Betroffene selber machen?

Neben der täglichen Anwendung der Kompressionsversorgung, sind diese drei Punkte wichtige Stützpfeiler der Selbstwirksamkeit.

  1. Anpassung der Ernährung: Lipödeme lassen sich nicht mit Diäten verbessern oder heilen, aber es sollte auf keinen Fall zusätzliches Körpergewicht generiert werden. Daher gilt für Betroffene, sich möglichst gesund und kohlenhydratarm zu ernähren.

  2. Ausreichende Bewegung/Sport: Da das Lipödem im klassischen Sinne nicht heilbar, sondern in seinen Ausmassen höchstens limitierbar ist, bleibt die Therapie für Betroffene mit einer gewissen Frustration verbunden. Ausreichend Bewegung bzw. Sport kann dagegen die Lebensqualität erhöhen und die Schmerzen senken.

  3. Selbsthilfegruppen: Des Weitern sind manche Betroffene froh, wenn sie sich mit anderen Betroffenen austauschen können. Den Link zu Selbsthilfegruppen für Betroffene mit Lipödemen im Raum Zürich steht am Textende. Für Selbsthilfegruppen in anderen Regionen, hat sich, völlig überraschend, Google als brauchbare Unterstützung erwiesen.

Fazit Es handelt sich beim Lipödem um eine Erkrankung, die zwar ursächlich nicht behandelt, aber, speziell wenn in Kombination mit einer Adipositas auftretend, in seiner Schwere kontrolliert und teils reduziert werden kann. Stützpfeiler der Therapie sind dabei die konsequente Kompressions-, Ernährungs- und Sporttherapie.

Das PDF zur aktuellen Leitlinie findet sich hier:

https://register.awmf.org/assets/guidelines/037-012l_S2k_Lipoedem_2024-01_01.pdf

Kontakt zu Selbsthilfegruppen zum Thema Lipödem findet sich hier:

https://www.zentrumselbsthilfe.ch/shbs/de/selbsthilfegruppen/selbsthilfegesucht.html?submitted=true&search=Lip%C3%B6dem

Wir danken sehr für das Interesse und hoffen, dass die zusammengetragenen Informationen hilfreich waren. Wir stehen für Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung und freuen uns über Feedback.