Befunde im Röntgen, MRT und Ultraschall relativiert
Warum Untersuchungsergebnisse nicht immer der Wahrheit letzter Schluss sind
Regelmässige Ängste und Sorgen nach radiologischen Untersuchungen
Täglich kommen Klient:innen in medizinische und physiotherapeutische Praxen, wie PHYSIO Impact in Uster, und zeigen ihre radiologischen Untersuchungsergebnisse. Selten weil diese unterhaltsam sind oder gar stolz darauf seien, sondern vielmehr weil ihnen die Ergebnisse Angst machen.
Es ist an der Zeit, diese Ängste und Sorgen, wissenschaftlich basiert, relativiert zu betrachten und anzugehen. Denn, wahrscheinlich für viele in der Leserschaft überraschend, können eine beträchtliche Anzahl dieser Befunde als Zufallsbefunde betrachtet und tatsächlich zum Teil ignoriert werden.
Haben nur Menschen mit Beschwerden auch Veränderungen bei der Bildgebung?
Nein! Körperliche Veränderungen wie Degenerationen, Arthrosen, Schwellungen, Reizungen, Verengungen von peripheren Gelenken und der Wirbelsäule, selbst Bandscheibenvorfälle und Sehnenrisse finden sich auch, und zudem relativ häufig, bei Menschen ohne jegliche Beschwerden. Man braucht definitiv keine Schmerzen haben, wenn sich potentiell schmerzhafte Veränderungen in den Untersuchungsergebnissen zeigen.
Oftmals sind sie eher als Nachweis eines gelebten Lebens, wie ein kleiner Kratzer oder eine Delle im Lack des Autos, zu werten. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, aufgrund einer Delle im Wagen, diesem seine Belastbarkeit abzusprechen. Mit dem eigenen Körper sind wir leider sehr viel strenger und pingeliger.
Fällt es Ihnen schwer, dieses Gelesene zu glauben? Können wir gut verstehen. Wir möchten Ihnen daher verschiedene Studienergebnisse vorstellen, die sich wissenschaftlich mit radiologischen Befunden schmerzfreier Probandinnen und Probanden befasst haben.
Fangen wir an...
Was für Veränderungen finden sich an der Wirbelsäule?
MRT-Aufnahmen der Halswirbelsäule wiesen bei 7.4% aller Menschen unter 60 Jahren und 35.3% all derer über 60 relevante Verengungen im Rückenmarkskanal nach.
Radiologisch wurde sogar die degenerative cervicale Myelopathie bei 2.3% der Proband:innen nachgewiesen, obwohl sie überraschenderweise keinerlei Symptome zeigten.
Diese relativ grosse Studie, beinhaltete die Ergebnisse von 3786 Personen und wurde 2020 von Smith et al. durchgeführt. Veröffentlicht und zu finden ist sie im "Global Spine Journal".
Bandscheibendegenerationen an der Hals- UND Lendenwirbelsäule fanden sich bei 78.7% aller asymptomatischen Personen (Durchschnittsalter: 48) einer kleineren Studie mit 94 Proband:innen von Matsumoto et al. aus dem Jahr 2012. Zu finden ist diese spannende Studie im "European Spine Journal".
Eine weitere Studie (Brinjikji et al., 2015) zu Bandscheibendegenerationen ermittelte vergleichbare Zahlen und bestätigte so auch die vorgängig genannte "kleine" Studie der Arbeitsgruppe um Prof. Matsumoto diese Veränderungen bei 37% aller Menschen ab 20 Jahren, bei 80% aller ab 50 Jahren und bei sagenhaften 96% aller Menschen die älter als 80 Jahre alt sind.
Eine Bandscheibenprotrusion ("Vorwölbung) haben demnach auch 30% aller ab 20 Jahren, 60% derer ab 50 Jahren und 84% aller Menschen über 80.
Sogar Discushernien ("Bandscheibenvorfälle") fanden sich bei 29% aller Menschen ab 20 Jahren, bei 36% aller ab 50 und bei 43% der Menschen über 80 Jahren.
Lumbale Arthrosen zeigten bereits 4% der 20-jährigen, 32% aller ab 50 Jahren und 83% aller Proband:innen die älter als 80 Jahre waren.
Für diese Untersuchungen von Brinjikji et al., aus dem Jahr 2015 und publiziert im "American Journal of Neuroradiology", wurden die Ergebnisse von 3110 symptomfreien Menschen genutzt.
Gibt es sogar schmerzfreie Befunde der Hüfte?
Ein Hüftgelenksimpingement mit einer sogenannten CAM-Deformität haben, meist unwissentlich, 37% aller Menschen. Bei Sportlern steigt der Wert sogar auf 55%. Die Pincer-Deformität ist sogar noch häufiger. 67% der getesteten asymptomatischen Probanden waren diesbezüglich positiv.
Noch häufiger war mit erstaunlichen 68% nur noch der Labrumriss (Riss der Gelenklippe).
Frank et al. haben im Jahr 2015 diese Ergebnisse der Untersuchung von 2114 Menschen mit einem Durchschnittalter von 25 Jahren im "The Journal of Arthroscopic and Related Surgery" veröffentlicht.
Wenigstens beim Knie muss es anders sein...
Nein, ist es nicht. Auch hier gibt es erstaunliche Befunde schmerzfreier Probandinnen und Probanden.
Von einer röntgenologisch diagnostizierten Kniearthrose waren bereits 11% aller Menschen unter 40 Jahren "betroffen" und 43% der Menschen darüber.
Auch Meniskusrisse fanden sich bei 4% der unter 40-jährigen und mit 19% bei den über 40-jährigen.
Für die Ergebnisse dieser sehr umfassenden Arbeit von Culvenor et al. aus dem Jahr 2018 wurden 5397 Personen untersucht. Publiziert wurde sie im "British Journal of Sports Medicine".
Aber ich muss es doch zumindest spüren, wenn meine Schulter was hat!
Auch hier braucht man sich nicht vorgängig unnötig verunsichern lassen.
Veränderungen an den Schleimbeuteln der Schulter liessen sich bei 78% aller 40 - 70-jährigen nachweisen.
AC-Gelenk-Arthrosen (Acromioclaviculargelenk) wiesen 65% aller Menschen zwischen 40 bis 70 Jahren auf.
Tendinosen ("Reizungen") des Supraspinatusmuskels wurden bei 39% der 40 - 70-jährigen gefunden, beim Subscapularis waren es deren 25% in der gleichen Altersgruppe.
Sogar mind. Teilrisse der Sehnen des genannten Supraspinatus fanden sich bei 22% erwachsener Menschen zwischen 40 - 70 Jahren.
Zwar war die hier genutzte Studie von Girish et al. (2011) mit 51 Männern klein, aber zeigt sie doch auch, dass Veränderungen der Schulter im Ultraschall (darauf basierten diese Ergebnisse) längst nicht immer den medizinischen Vorhof zur Hölle darstellen. Publiziert wurde diese Studie übrigens im "American Journal of Roentgenology".
War es das schon bezüglich der Schulter? Natürlich nicht...
Labrumdegenerationen und -risse (Labrum = "Gelenklippe") fanden sich bei 20% aller Probanden und bei bis zu 43% aller Sportler:innen.
Kommen wir noch zu dem Muskel, den viele gerne gross, schön und stark hätten: Bizepssehnenveränderungen fanden sich bei 13% der Altersgruppe 50-59 und bei 30% der über 60-jährigen. Zumindest zeigte dies die Studie mit 846 Proband:innen von Ibounig et al. aus dem Jahr 2024 und publiziert wurde sie bei "Osteoarthritis and Cartilage".
Sogar eine Schulterarthrose liesse sich bei 15-75% aller beschwerdefreien Menschen, laut der Forschungsgruppe um Ibounig und seine Kolleg:innen, diagnostizieren.
Sind jetzt alle Untersuchungsergebnisse egal?
Nein! Das sind sie definitiv nicht! Die modernen Untersuchungsmöglichkeiten, unter anderem bestehend aus Röntgen, MRT/MRI, CT, Ultraschall und viele weitere, sind in der Tat Gold wert! Viele seriöse Verletzungen und Erkrankungen können so deutlich schneller als noch früher erkannt und therapiert werden. Daraus ergeben sich gerade für schwere Erkrankungen deutliche prognostische Vorteile.
Aber bei allem technischen Fortschritt sollten wir reflektiert genug sein und anerkennen, dass bei muskuloskelettalen Beschwerden immer noch viele, zum Teil wirklich unnötige, bildgebende Untersuchungen durchgeführt werden. Daraus ergeben sich einerseits deutliche Mehrbelastungen für das Gesundheitssystem und dann, wenn nicht gut und korrekt interpretiert bzw. erklärt, häufig sekundäre Probleme. Diese müssen dann auch wieder mit teils grossen und eigentlich unnötigem Aufwand adressiert werden.
Muskuloskelettale Befunde erfordern es, realistisch und "symptompassend" eingeordnet und den Betroffenen genau und nachvollziehbar erklärt zu werden. Leider passiert das zum Teil zu wenig, Thema Zeitmangel, oder in einer Art und Weise, meist durch Unwissenheit begründet und gepaart mit unnötiger Vorsicht, die die Klientinnen und Klienten eher verwirrt und ratlos zurücklässt.
Es ist daher für Fachpersonen aus Medizin und Therapie in der Kommunikation mit Betroffenen eminent wichtig, nicht unnötige Ängste und Vorbehalte zu schüren und so die wirksamste Waffe bei muskuloskelettalen Beschwerden, gezielte Belastung aus Bewegung und Krafttraining, zu verunmöglichen. (Ein Thema, was in Kürze mit einem eigenen Blogbeitrag angegangen und nachzulesen sein wird.)
Gute Kommunikation, basierend auf fachlicher Expertise, relativiert demnach bei vielen Menschen Ängste und Sorgen um die eigene Gesundheit und würden das häufig nachfolgende Bewegungs- und Belastungsvermeidungsverhalten gar nicht erst entstehen lassen.
Was können Betroffene machen?
Unsere Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten bei PHYSIO Impact in Uster helfen Ihnen gerne bei der Einordnung Ihrer muskuloskelettalen Befunde. Vereinbaren Sie jederzeit oben auf unserer Webseite (beim grünen Button) Ihren Termin, schreiben uns eine E-Mail an info@physioimpact.ch oder rufen uns ganz einfach unter 044 203 32 55 an. Wir freuen uns auf Sie!